MEHR BESUCHER ALS BEI #DÜRER: #HELNWEIN IN DER #Wiener_ALBERTINA

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Die Wiener Albertina präsentiert Gottfried Helnwein

Gespräche in Grenzen mit GOTTFRIED HELNWEIN (3)

ORIGINAL ODER REPRODUKTION?

„Es gibt Kunstwerke, die bestimmte vibrations vermitteln, eine gewisse Magie, wenn man vor dem Original steht. Ich kann das auch nicht erklären. Mich haben zum Beispiel Kandinsky und Miro nie interessiert, ich bin im Kunstgeschichte-Unterricht mit ihnen belästigt worden. Aber als ich einmal in New York im Museum die Originale gesehen habe, war ich sehr betroffen. Das war schon toll zu sehen, wie die Farbe da oben klebt, die Strukturen, das ist, muss ich zugeben, nicht zu reproduzieren.“

Nehmen wir einen Vergleich, Die unterschiedliche Wirkung beim Betrachten von Original und Reproduktion entspricht der beim Anschauen eines Fotos und dem persönlichen Kennenlernen eines Menschen. Helnwein merkte den Unterschied, als er seine Lieblingsgruppe, die „Rolling Stones“, im Musikstudio kennenlernte: „Ich hatte mich als Jugendlicher total mit den ,Stones‘ identifiziert. Dann habe ich sie persönlich in London getroffen und war eine ganze Nacht bei den Proben dabei, das war eine Überraschung. Man glaubt ja gar nicht, dass die dreidimensional existieren. Das ist eine eigene Realität. Und wenn dann so einer vor einem steht, und man kann ihn riechen, und man kann ihn berühren, und dann greift der Keith Richards mit seinen dreckigen Fingernägeln in die Gitarre und spielte einen ‚Hadern‘ (Anm. = Ohrwurm, beliebtes Musikstück ) – das war wie Weihnachten, also phantastisch.“

Gottfried Helnwein ist ein Phänomen, an dem auch die großen Museen nicht vorbeikommen. Die Wiener „Albertina“ zeigt bis zum 13. Oktober 2013 bereits zum x-ten Mal mit großem Erfolg Helnweins Werk. Fühlt sich der Künstler geehrt, bestätigt?

ZWISCHEN MASSE UND MUSEUM

„Es interessiert mich sowohl die massenhafte Verbreitung wie auch die Ausstellung im Museum. Ich habe offensichtlich einen erweiterten Kunstbegriff und lege großen Wert darauf, dass meine Sachen in verschiedenster Form auf verschiedenen Ebenen präsentiert werden. Ich machte auch gern Werbung für Persil . Und schon setze ich mich wieder der Kritik aus. Man hat mir vorgeworfen, dass die Albertina so voll war, dass ich mehr Besucher hatte als Albert Dürer, von dem es zur gleichen Zeit im Obergeschoss eine Ausstellung gab.“

Mit dem Begriff „Schockmaler“ fühlt sich Helnwein keineswegs zutreffend charakterisiert: „Ich enttäusche gerne Erwartungen. Das macht mir Spass. Vieles, was Helnwein sagt und denkt, würde, auf den Literaturmarkt übertragen, wohl auch nur einen Simmel oder Konsalik ergeben.

„Ich habe beide noch nie gelesen, aber ich wollte, ich wäre so wohlhabend wie die beiden. Mir gelingt das nie, weil ich mein Geld immer gleich in Projekte stecke, die manchmal auch unsinnig sind. Ich streite mich zum Beispiel mit meinem Verleger herum, weil ich nicht möchte, dass meine Bildbände mehr als 200 Schilling kosten. Ich bewundere Andy Warhol, dem es bei allem, was er so macht, auch noch gelingt, reich zu sein!“

(DAS GESPRÄCH FÜHRTE GÜNTER VERDIN MIT GOTTFRIED HELNWEIN ENDE DER 1970er JAHRE IN SEINEM ATELIER IN WIEN.)

#GOTTFRIED_HELNWEIN: #WIEN IST DIE #HAUPTSTADT DER #INTRIGE.#Interview

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Gottfried Helwein: Selbstporträt, 1983. Als Plakat und Kunstdruck in verschiedenen Größen vervielfältigt.

„Da gibt es eine Klasse von Experten, eine Priesterkaste, die das kulturelle Gut verwaltet, die bestimmt was Kunst und was nicht Kunst ist, sie grenzt ab, gibt Impulse, lässt neue Strömungen entstehen, verhindert andere, sie habt eine ungeheure Macht. Das ist nicht weiter schlimm. Das kann auch sehr spannend sein. Es ist eigenartig, daß der direkte Kontakt zwischen Künstler und Publikum fast ausgetrocknet ist, heute macht diese Beziehung einen Umweg über die Experten. Das Vorwort zu einem Katalog schreibt der sogenannte Ausstellungsmacher, der bei weitem wichtiger ist als der Künstler, und von diesen Urteilen hängt schon sehr viel ab. Der Großteil des Publikums traut sich doch gar nicht zu, Kunst zu beurteilen, die meisten haben sich ausgeklinkt. Man schielt auf den Experten, wenn der empfiehlt, dann kauft man. Insofern sind Kritik und Anerkennung sehr, sehr wichtig.“

SEINE KUNST IST EIN MISCHMASCH, SAGT HELNWEIN

Ist Helnwein, der als „Schockmaler“ bereits in den Denkschubladen verstaute Seelenergründer, 1985 vor der Wiener Kritik in die Bundesrepublik Deutschland geflüchtet, wo er bis 1997 auf Schloss Burgbrohl residierte?

„Na, überhaupt net. Wien ist ja keine wirkliche große Stadt. Ich habe in den letzten Jahren den Eindruck gehabt, dass ich doch sehr isoliert bin. Es gibt eine einzige große Straße, die in den Westen hinausführt. Ich wollte immer schon auswandern. Als Achtzehnjähriger wollte ich ich nach Amerika gehen, aber das ist mir nie gelungen, weil Wien so eine komische Sogwirkung hat“.

Den typischen Helnwein-Stil bezeichnet der Künstler selbst als „Mischmach“:

„Ich verdanke in dieser Hinsicht Wien sehr viel, weil Wien eben ein Sumpf ist mit einem ganz seltsamen Klima, und da gedeihen eben solche Sumpfblüten, wie ich eine bin. Um sich hier durchsetzen, muss man eine gewisse Intensität und Sturheit entwickeln, man wird dabei etwas eigenartig, ein Freak, aber wenn man gut ist, dann ist man interessant. In Wien muss man sehr stark sein, um bestehen zu können. Wien ist die Hauptstadt der Intrige. Woran das liegt weiß ich nicht, vielleicht daran, dass es hier ungeheuer viele kreative Leute gibt und der Platz zu klein ist. Ich habe nirgends in der Welt , außer in New York vielleicht, einen Platz gesehen, wo so viele, wirklich gute kreative Leute zusammenleben müssen. Und die kämpfen eben auf Leben und Tod. Dazu kommt die Hypothek einer mächtigen Vergangenheit, die überall präsent ist und die Gegenwart zu ersticken droht.“

Helnwein und die Tradition: ein Pantscherl oder ein spannendes Verhältnis? Der Maler, der sich aggressiv und sensibel zugleich mit den Schlagzeilen auseinandersetzt, die das triviale Alltagsleben so schreibt, hat er etwa auch mit uns gelitten, als McDonalds ins wunderschöne Kaffeehaus in der Wiener Mariahilfer Straße eindrang?

„Das war ein sehr schönes Kaffeehaus, muss ich sagen. Jetzt ist es sehr schiach. Das ist allerdings kein Thema, über das ich mich ereifern würde. In der Prioritätenliste steht das sehr weit hinten.“

ICH BIN GEIL AUF VERMARKTUNG

Helnwein, der Maler, der auf viele Hochzeiten tanzt, Titelbilder, Posters, Stickers, Bildbände, ein bißchen viel Vermarktung, teurer Meister!

„Ich bin geil auf Vermarktung! Vermarktung ist absolut super!!! Was mich ärgert sind die Begriffe, die hier abgenutzt werden. Die Leute denken heute noch zu sehr in Begriffen wie lässlicher Sünde und Todsünde. Hoffart ist eine Todsünde. Man soll also immer Bescheidenheit vortäuschen, vortäuschen, man sei am Erfolg nicht interessiert. Es gibt dann noch Beleidigungen, wie: man vermarkte etwas oder sich, das ist was Peinliches. Wenn man jemanden, der mit Kunst zu tun hat, besonders anrühren möchte, dann wirft man ihm vor, er vermarkte sich. Ich betrachte das als Heuchelei! Zum Beispiel: der Kunstmarkt in Köln. Eine Galerie hat dort eine One-Man-Show gemacht mit meinen Sachen, und natürlich war dort der Boden voll mit meinen Posters, es gab Stickers und Buttons, weil ich total auf das steh! Andere Galeristen stellen eben einen Glaskasten aus, in dem sich ein verborgener Draht befindet für 30.000 Mark. Ist ja eh super, soll ja sein, woanders liegen rostige Schienen auf dem Boden, woanders gibt es die Neuen Wilden. Aber es gibt die ungeschriebene Regel: Posters und Buttons verkauft man nicht, das ist nicht elitär, nicht esoterisch genug. Auf dem Kölner Kunstmarkt besuchten mich auch einige Schüler.
Sie haben mich zur Rede gestellt. Warum vermarkten Sie sich? Und ich habe gesagt: Jetzt horcht einmal zu, liebe Kinder, wo befinden wir uns denn im Moment? Richtig. Auf dem KunstMARKT. Das hier also ist ein Markt, und es gilt als entsetzliche Beleidigung, wenn sich einer auf dem Markt vermarktet? Das ist mir zu kompliziert!“

GEGEN DIE EINTEILUNGSMANIE

Angesichts der einer willigen Konsumentenmasse erfolgreich hingebreiteten Produktion stellt sich die Frage nach der Einmaligkeit des Kunstwerkes ebenso zwingend wie angesichts heutiger Riesenauflagen von Lithographien oder auch Plastiken.

Helnwein ist kein Kavalier der hohen Kunstschule. „Ich bin kein Experte, ich muss keine treffenden Worte finden. Für mich soll Kunst überraschend sein, sie muss einen Unterhaltungswert besitzen. Das ist im Moment ja auch verpönt. Aber ich finde diese ganze Apartheid in der Kunst, diese Unterteilung in hohe und triviale Kunst, anachronistisch. In der Musik sind diese Grenzen schon aufgehoben, da vermischen sich Jazz und Rock und Pop und Klassik. Ich finde auch viele Beispiele der sogenannten intellektuellen oder kopflastigen Kunst super. Ich finde
vieles von Beuys sehr gut, ich halte ihn für einen sehr wichtigen Mann in der Bildenden Kunst, aber es wäre eine Katastrophe, wenn er der Maßstab für Kunst wäre. Es wäre auch eine Katastrophe, wenn es nur Comic-Strips geben würde. Das ist besonders im deutschsprachigen Raum so eine Manie: alles einzuteilen und zu reglementieren.
Ich kann den Leuten nur empfehlen, dass sie sich entspannen sollen.“

DAS REPRODUZIERTE BILD IST DAS ENDPRODUKT,NICHT DAS ORIGINAL

Der alte Streit um den Wert von Original und Reproduktion stellt für einen Künstler wie Helnwein, der so total die Herausforderung des Medienzeitalters annimmt, überhaupt kein Problem dar: „Meine Bilder werden schon im Hinblick auf die Reproduktion gemacht. Das reproduzierte Bild stellt für mich das Endprodukt dar, nicht das Original. Ich muss zugeben, dass es Originale gibt, deren Reize in der Reproduktion nicht wiedergegeben werden. Dagegen gibt es auch Reproduktionen, die Reize haben, die das Original nicht hat. Es gibt auch Reproduktionen, die gefallen mir besser als das Original, was aber selten ist.“

Sind denn die Schauer, die unsereins angesichts des Originals eines alten Meisters ergreifen, nur ein psychisches Phänomen, ist diese Ergriffenheit gar Selbstbetrug? „Diese Sucht nacht Religiosität in allen Bereichen ist typisch für die Menschen. Diese Sucht, etwas zu verehren, etwas anzubieten, sieht man ja auch beim Sänger Prince in Amerika oder bei Lady Di.“

WIRD FORTGESETZT

Anmerkung:Der wahre Grund dafür, dass Helnwein 1985 Wien verließ, war, dass ihm die Professur an der Wiener Akademie der bildenden Künste verwehrt worden war. 1997 erwarb er ein Schloss in der irischen Grafschaft Tipperary. Seit 2004 ist Helnwein irischer Staatsbürger.

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WIE #GOTTFRIED_HELNWEIN #MICK_JAGGER MALTE.#Interview

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Mick Jagger 23×34 Print PORTRAIT by Helnwein 1982 Art & Book

GESPRÄCHE IN GRENZEN (1)
Miteinander sprechen heißt immer auch: Grenzen festsetzen, wie weit ich den anderen zulasse. Jedes Gespräch gelangt zu der dramaturgischen Schnittstelle, an der der Wunsch, sich zu verlautbaren, mit der Furcht vor Selbstentblößung zusammenprallt. „Gespräche in Grenzen“ sind keine Interviews, sondern (oft stundenlange) Versuche, sprechend Außen-Ansichten und liebevoll gepflegte Images zu korrigieren.

„Gespräche in Grenzen“ sind Protokolle.

Mick Jagger fand das Porträt „scheußlich“, das Gottfried Helnwein von ihm für den „stern“ gemalt hatte. Doch Helnwein versteht sich als „Verehrer der Rolling Stones“: „Ich habe Mick Jagger als Gläubiger gemalt. Ich stehe darauf, daß er Falten hat und daß er so verlebt ist. Das Bild war eigentlich als Kompliment gemeint, aber ich habe da keine Kompromisse machen können. Wenn ihm das Porträt nicht gefällt, versteh` ich es auch wieder. Ich weiß, daß er lieber glatt und jung ausschauen würde. Auf dem Titelbild der Zeitschrift „Interview“ war er auch drauf, gemalt von irgendwem. Da war er wirklich süß! Also wirklich süß wie ein hübsches Mädchen, das hat ihm kaum mehr ähnlich geschaut, aber er ist nicht der Michael Jackson, der schaut nämlich wirklich so aus, der Mick Jagger aber nicht, und das finde ich eigentlich reizvoll.“

Am Beispiel des Jagger-Konterfeis läßt sich auch erklären, warum Helnwein nicht zu den Fotorealisten gezählt werden darf: er bildet ja nicht nur ab, sondern interpretiert und kommentiert. „Ich bin sicher kein Fotorealist im Sinne der Amerikaner, die anstreben, eine Fotografie zu reproduzieren, das heißt: alle Charakteristika eines Fotos auch im Bild zu haben. Daher ist das immer sehr originell, wenn man sich die Kataloge kauft, weil die Bilder durch den Druck und durch die Verkleinerung so ausschauen wie das Farbfoto, von dem der Künstler ausgegangen ist. Ich verwende als Hilfsmittel Schwarzweißfotos, aber ich arbeite dann sehr subjektiv und lebe alles aus, was ich im Augenblick empfinde oder für wichtig halte.“

Die Vorarbeiten zum Jagger-Bild haben lägere Zeit in Anspruch genommen, die Ausfertigung des Bildes einige Tage: „Ich arbeite sehr konzentriert. Ich fange um acht in der Früh an und arbeite bis Mitternacht, manchmal auch einige Nächte durch, total konzentriert, da fällt man in einen richtigen Rauschzustand. Die Musik drehe ich ganz laut, vorwiegend, Stones, oder Captain Beefheart oder Bruce
Springsteen. Ich bin überhaupt nicht diszipliniert. Wenn es zu lange dauern würde, hätte ich bald kein Interesse mehr am Objekt. “

Den schöpferischen Prozess schildert er drastisch: „Ich sperre mich ein und arbeite wie eine Wildsau! Ein Anflug von Selbstkritik? Ich bin nicht sehr selbstkritisch. Weil das nur hemmt. Außerdem habe ich lange genug mein Leben in Wien verbracht und da kam dermaßen viel Kritik, in allen Varianten, auch sehr gehässig, so daß ich es nicht nötig hatte, auch noch selbstkritisch zu sein. Wenn man in Wien überleben will, muß man künstlerisch sehr gut werden. Ich glaube, wenn man es in Wien schafft, dann schafft man es überall.

Wien ist wie mit einer Bleiweste trainieren, alles nachher erscheint ungeheuer leicht. Ich steh ja auf Kritik. Für mich ist Malerei eine Form der Kommunikation, mit der man bei Menschen etwas auslösen kann. Ich male nicht für mich, nicht als Therapie, ich male immer nur für jemanden. Ich stelle mir immer irgendwelche Menschen vor und meine die auch damit. Ich verwende auch gnaden- und skrupellos die Klischees, die ich in der Umwelt finde.“

Das Original von Mick Jagger hat irgendwann einmal jemand gekauft. Über den Verkaufspreis spricht Helnwein nicht.

Von vielen Kritikern wird die Breitenwirkung des Helnwein-Oeuvres äußerst skeptisch beurteilt. Für ihn selbst, den „Rasierklingen-Rembrandt“, wie ihn eine amerikanisches Magazin bezeichnete, ist der Kunstmarkt ein „Monstrum“: „Da gibt es eine Klasse von Experten, eine Priesterkaste, die das kulturelle Gut verwaltet, die bestimmt was Kunst und was nicht Kunst ist.“

DAS GESPRÄCH WURDE VON GÜNTER VERDIN IN DEN 1970er JAHREN GEFÜHRT.

24. JULI bis OKTOBER 2013
Albertina Museum Wien
HELNWEIN RETROSPEKTIVE IN DER ALBERTINA IN WIEN
Die Albertina widmet Gottfried Helnwein eine umfangreiche Retrospektive, die alle Stationen seines bisherigen Werdegangs abbildet. Helnwein, einer der bekanntesten österreichischen Künstler der Gegenwart, wurde durch seine hyperrealistischen Bilder von Kindern berühmt. Die Auseinandersetzung mit den Themen Gewalt und Schmerz in seinen Arbeiten sorgte in der Vergangenheit immer wieder für Diskussionen.

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